2. Kommunikation
Fangen
wir mit den Binsenweisheiten an: Menschen und Hunde
sprechen nicht die gleiche Sprache. Unsere
Vierbeiner weisen einzelnen Worten nicht in der
gleichen Weise Bedeutungen zu wie wir Menschen es
tun. Sie lernen, auf ein bestimmtes Wort hin eine
bestimmte Aktion auszuführen. Aber ´´Sitz!´´
und ´´Setz dich endlich hin!´´ sind für den
Hund zwei verschiedene Dinge. Daher ist es wichtig,
daß der Hundeführer konsequent immer wieder die
gleichen Kommandos gibt. Je kürzer und klarer diese
sind, umso leichter kann der Hund sie lernen. Ebenso
sollte man sich davor hüten, seine Kommandos im
Stile eines Radioreporters zu kommentieren: "Sitz-Nein-Braver-Hund-Du-weißt-doch-was-Du-sollst-Sitz-nun-mach-doch-endlich-Si
tz-Sitz-immer-noch-nicht-setz-Dich-hin-habe-ich-gesagt-der-Hund-hat-heute-wieder-kei
ne-Lust-Mistköter" ist für den Hund kein
Kommando. Er lernt lediglich, die Stimme von
Herrchen oder Frauchen als Hintergrundgeräusch zu
ignorieren, so wie wir es gewöhnlich mit
Vogelgezwitscher tun.
Das
gleiche gilt für optische Kommandos. Bringt man
seinem Hund bei, auf bestimmte Handzeichen zu
reagieren, ist unbedingt auf Klarheit und Konsequenz
zu achten. Eine schlimme Falle kann das unbewußte
Benutzen von optischen Kommandos sein. So kann es
passieren, daß ein Hundeführer beim Kommando
"Hopp!" (zum Überspringen einer Hürde)
jedesmal mit
der
Hand zur Hürde zeigt. Wird nun, etwa in einer Prüfung,
nur das verbale Kommando gegeben, die Hand bleibt
jedoch unten, kann es leicht zum Verweigern des
Sprunges kommen. Für den Hund bedeutet "Hopp!"
nur in Verbindung mit der Handbewegung "Spring
über die Hürde!". Oft ist es sehr schwierig für
den Hundeführer, solche unbewußt gegebenen
Kommandos zu erkennen. Wie leicht wird da dem Hund
die Schuld am Versagen gegeben.
3.
Lob und Tadel
Wollen
wir einen Hund erziehen, so müssen wir ihm nicht
nur mitteilen, was er tun soll, sondern auch, ob
sein Verhalten denn richtig oder falsch war. Im
allgemeinen wird der Hund wohl gelobt, wenn er eine
Übung richtig durchgeführt hat.
Herrchen
oder Frauchen werden (hoffentlich) als ranghöher
angesehen. Daher ist dem Hund durch sein Wolfserbe
vorgegeben, daß ein Lob, ein Streicheln, das
Abgeben von ein paar Leckerbissen etwas ganz
besonders Erstrebenswertes ist. Gute Pädagogen und
auch erfolgreiche Chefs wissen es schon lange: In
einer positiv gestimmten Umgebung und mit Lob statt
Tadel lernt man schneller und arbeitet besser. Die
Wissenschaft hat gezeigt, daß dieses genauso für
Tiere gilt. Die reine Hackordnung im Wolfsrudel, bei
der den Rangniederen mit Gewalt gezeigt wird, wer
das Sagen hat, ist schon lange als Ergebnis zu
naiver Beobachtung entlarvt worden.
Natürlich
ist von Zeit zu Zeit auch ein ernstes Wort nötig.
Aber dann, bitteschön, kurz und wohl dosiert. Ein
guter Rudelführer zeichnet sich nicht durch
sinnlose Brutalität, sondern durch Souveränität
und Übersicht aus.
Einem
Hund ein bestimmtes Verhalten anzuerziehen, ist verhältnismäßig
einfach. Schwieriger wird es meist, wenn eine unerwünschte
Verhaltensweise verhindert werden soll. Aber auch
hier gibt es Möglichkeiten. Karen Pryor (Pryor,
1984) beschreibt nicht weniger als acht Möglichkeiten,
ungewolltes Verhalten einzudämmen oder ganz zu
unterdrücken. Die Erfolgreichsten sind auch in
diesem Falle die sogenannten "positiven
Methoden", also diejenigen ohne Geschrei und
Gewalt.
Daß
aber auch beim Loben einige Fallstricke auf den
Hundeführer warten, soll im nächsten Abschnitt
deutlich gemacht werden.
4.
Timing
Schaut
man im englisch-deutschen Wörterbuch unter "Timing"
nach, so findet man "Wahl des (richtigen)
Zeitpunktes". Das sagt genau das aus, was in
der Hundeerziehung so wichtig ist. Angela White hat
in ihrem Buch (White, 1994) ein schönes Beispiel
gegeben, wie man einem Hund durch schlechtes Timing
ungewollt das "Nicht-Apportieren"
beibringt:
Üblicherweise
beginnt man die Apportierausbildung damit, daß dem
Hund gezeigt wird, einen Gegenstand im Maul zu
halten. Angela White beschreibt aus der Sicht des
Hundes, was passiert: Herrchen öffnet mein Maul,
steckt dieses Ding hinein und sagt ´Nimm!´. Nun
ja, wird wohl seinen Sinn haben, ich warte einmal
ab, was passiert. Nach einiger Zeit nimmt er es
wieder heraus und lobt mich ganz fürchterlich. Aha!
Das Herausgeben des Gegenstandes scheint ihm wohl
wichtig zu sein. Na, ja, dann werde ich mich damit
beim nächsten Mal natürlich beeilen.
Neuer Versuch: Er kommt wieder mit diesem Ding
an, steckt es in mein Maul. So! Diesmal spucke ich
es schnell wieder aus und bekomme wieder viel Lob.
... Na so etwas, diesmal schimpft er?! Na, das
scheint wohl eine von seinen Launen zu sein. Ich war
wohl nicht schnell genug mit Ausspucken, ich werde
mich auf jeden Fall beim nächsten Mal mehr beeilen.
Versuch Nummer drei: Wie denn, wieder falsch?
Vielleicht soll ich das böse Ding gar nicht erst
nehmen. Ich werde also meinen Kopf weg drehen und
das Maul ganz fest geschlossen halten....
Es
ist also wichtig, ein Lob oder auch einen Tadel zum
exakt richtigen Zeitpunkt zu geben. Manchmal ist ein
Sekundenbruchteil entscheidend, um dem Hund zu
zeigen, was man eigentlich von ihm will. Im obigen
Beispiel hätte ein einfaches Loben während des
Haltens genügt. Recht häufig entdeckt man in der
Hundeerziehung jedoch falsch plaziertes Lob oder
auch Tadel.
Ein
anderes Beispiel "aus dem Leben auf dem
Hundeplatz", bei dem unter anderem das Timing
nicht stimmt: Der Hund erhält bei der
Sitz-und-Bleib-Übung das Kommando "Sitz!",
setzt sich aber aus irgendeinem Grund nicht sofort
hin. Es folgt "Sitz!" - "Sitz!"
- "Sitz!" und schließlich tut der Hund,
was er soll. Der genervte Hundeführer befiehlt in
scharfem Ton "BLEIB!" zusammen mit der verärgerten
Bemerkung "Wehe, Du bleibst nicht sitzen, Du
...!!!".
Was
hat der Hund jetzt gelernt? "Sobald ich mich
setze, ist Herrchen/Frauchen ärgerlich. Da habe ich
wohl etwas falsch gemacht, Sitzen ist offenbar nicht
erwünscht. Beim nächsten Mal werde ich auf jeden
Fall noch länger standhaft bleiben.
5.
Arbeiten in kleinen Schritten
Das
zweite Beispiel zeigt auch, das offensichtlich zu
schnell beim Training vorgegangen wurde. Auch wenn
der Hund sich im Allgemeinen nach dem Kommando
"Sitz!" hinsetzt, ist durch ein zu
schnelles Verknüpfen mit einer weiteren Aktionen
ein Stück Zuverlässigkeit abhanden gekommen. Man
kann darauf wetten, das in dem obigen Beispiel auch
das "Bleib!"-Kommando nicht sehr zuverlässig
befolgt wird.
Angela
White schreibt in ihrem Buch (White, 1994) sinngemäß:
Große Ziele für die Zukunft, kleine Schritte für
jeden Tag. Es ist extrem wichtig, daß der Hund
Kommandos zuverlässig in jeder Situation durchführt,
bevor der nächste Schritt angegangen wird. Oftmals
schleichen sich unbemerkt Fehler ein, die später im
Zusammenhang schwer zu korrigieren und oftmals auch
schlecht zu entdecken sind.
Ein
Beispiel aus dem Bereich Agility: Einfach nur bei
jeder Kontaktzone "Steh!" zu schreien,
hilft in den seltensten Fällen. Oftmals weiß der
Hund nicht, was er wirklich soll, und verlernt auf
diese Weise auch noch das Kommando "Steh!",
das für ihn einmal "Bleib auf dem Rasen
stehen!" und einmal offensichtlich so etwas wie
"Spring über die rote Zone!" bedeutet.
Es
ist sinnvoll, "einfache" Kommandos immer
wieder aufzufrischen und unter allen Umständen auf
exakte Ausführung zu achten. Auch ein
Klavierspieler muß täglich seine Fingerübungen
wiederholen.
Nun
wird manch einer fragen, ob denn die Hunde wirklich
so dumm sind, Kommandos, die sie schon hundertmal
ausgeführt haben, nicht richtig zu verstehen. Meist
wird davon ausgegangen, daß der Hund weiß, was er
soll, aber im Moment einfach nicht gehorchen möchte
(Stichwort: Dominanzproblem). Natürlich kann in
solch einem Fall die Motivation für den Hund zu
klein sein, aber oftmals liegt tatsächlich ein
Verständnisproblem vor.
In
Pryor (1994) wird das sogenannte Training Game
beschrieben, ein Spiel, bei dem ein Mitspieler in
die Rolle des Hundes (im Buch: des Delphins) schlüpft
und ein Weiterer die Rolle des Hundeführers
(Delphintrainers) übernimmt. Der Vorteil: Der
"Hund" kann am Ende erzählen, was er denn
verstanden hat. Verblüffenderweise führt der Hund
Aktionen mehrfach korrekt durch, so daß jeder
Zuschauer wetten würde, der Hund hätte den Befehl
korrekt gelernt. Fragt man den Hund aber am Ende des
Spiels, so hat er meist nur eine vage Ahnung von
dem, was er tun sollte. Wie soll es da erst einem
echten Hund gehen, der nach gängiger Meinung nicht
so intelligent wie ein Mensch ist.
Im
Juni und September 1997 hat Angela White dieses
Spiel bei zwei Obedience-Seminaren beim VDP Kreis
Segeberg in Fahrenkrug durchgeführt, man konnte
selbst erleben, wie verblüffend schlecht die
Kommunikation funktioniert.
6.
Formen (shaping)
Will
man einem Hund zeigen, wie er ein Kommando korrekt
auszuführen hat, kann man meist manuell eingreifen.
Will der Hund sich beim Kommando "Sitz!"
nicht sofort hinsetzen, kann man durch sanftes
Hinunterdrücken korrigierend eingreifen.
Was
soll aber nun ein Delphintrainer tun, wenn er einem
Delphin beibringen will, eine Stange hoch über der
Wasseroberfläche zu überspringen? Delphine können
nicht mit den Händen über die Stange geschoben
ober per Leine darüber gezogen werden. Man bedient
sich vielmehr der eleganten Methode des Formens
(englisch: shaping). Delphine werden grundsätzlich
über positive Bestärkung (in Form eines Fisches
als Leckerli) ausgebildet. Bei dieser Übung
funktioniert das folgendermaßen:
Die
Stange wird zunächst in das Wasser gehängt. Überschwimmt
sie der Delphin, gibt es einen Fisch, sonst nicht.
Die Stange wird in kleinen Schritten immer höher
gehängt, ein Leckerli gibt es nur beim Überspringen.
Auf diese Weise wird das Verhalten des Tieres immer
weiter in die gewünschte Richtung "geformt".
Da das Tier die Aktion (das Springen) aus eigenem
Antrieb ausführt und nicht mittels Korrektur zu
etwas gezwungen wird, ist die Chance viel größer,
das es Sinn und Zweck der Übung wirklich
durchschaut.
Ach, übrigens: Was ist eigentlich der Unterschied
zwischen einem Delphin, der nicht hoch genug aus dem
Wasser springt, und einem Hund, der beim Überspringen
von Hürden öfters die Stange herunterreißt?!
7.
Motivation
Man
muß sich einmal folgende Situation vorstellen: Der
Chef kommt zu seinem Mitarbeiter und sagt: "Maier,
Sie sind unser bester Mann, stets zuverlässig und
fleißig. Ich weiß, daß Sie sich immer
hundertprozentig für unsere Firma eingesetzt haben.
Daher haben Sie doch sicher nichts dagegen, in
Zukunft, im Sinne der Firma, auf Lohnerhöhungen zu
verzichten." Die wenigsten Menschen wären hier
wohl begeistert. Aber von unseren Hunden wird oft
erwartet, daß sie allein für ein Lob Ihres Rudelführers
die schwierigsten und manchmal recht langweiligen
Aufgaben hervorragend meistern.
Die
Hunde haben wie alle Tiere zwei primäre
Motivationen: Das eigene Überleben und das Erhalten
der Art - mit anderen Worten: Fressen und
Fortpflanzung. Eng mit dem Ersteren ist das Spiel
verbunden. Wölfe lernen durch das Spiel, zu jagen
und somit etwas zum Fressen zu erbeuten. Das Spiel
kann also neben dem Verabreichen von Leckerli als
ausgezeichnetes Mittel bei der Hundeerziehung
eingesetzt werden. Allerdings kommt es sehr darauf
an, daß der Hundeführer Spiel als
Motivationsmittel sehr bewußt einsetzt. Ein Hund,
der vor oder nach dem Training allein mit seinem
Ball über die Wiese tobt, hat gewiß seinen Spaß,
er bringt das aber sicher nicht in Zusammenhang mit
dem Trainingsprogramm. Im Gegenteil: er empfindet
die Zeit des Trainings als vergleichsweise
langweilig.
Der
Hundeführer kann Spielphasen ganz bewußt in das
Training einbauen. Wenn etwa eine Übung besonders
gut funktioniert hat, wird gespielt. Somit wird das
Spiel mit dem Hund zum dritten Motivationsmittel -
neben dem Lob und den Leckerli.
Es
ist wichtig, das Hundeführer und Hund als Team
spielen. Der Hund muß wissen: Immer wenn
Herrchen/Frauchen mitspielt, ist es am schönsten.
Auf diese Weise wird der Hund seinem Führer
dieselbe Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen, die
man bei Obedience-Champions so bewundern kann.
In
White (1994) ist detailliert erklärt, wie der
Hundeführer das richtige Spielen mit seinem Hund
lernt. "The Want", das Arbeiten-Wollen des
Hundes zu erreichen, ist das allererste Ziel der in
diesem Buch beschriebenen Hundeausbildung.
Belohnung
(z.B. das Geben eines Leckerlis) sollte jedoch nicht
automatisch bei jedem erfolgreichen Versuch
erfolgen. Auch das wird für den Hund zu langweilig,
die Motivation geht verloren. (Man denke an die oben
erwähnte Schokoladenfabrik.) Verzufallung heißt
das entsprechende Fachwort. Der Hund weiß nicht, ob
er denn dieses Mal eine Belohnung erhält oder
nicht, und wenn ja, wie groß sie ist; das macht das
Arbeiten für ihn noch interessanter. Man kann das
mit dem Spieler an einem Glücksspielautomaten
vergleichen, der mit Faszination auf die große
Belohnung für sein im Prinzip doch sehr stupides Knöpfchen-Drücken
wartet.
Nur
mit Hilfe von positiver Motivation erreicht man, daß
der Hund (vielleicht anders als bisher) mit Freude
bei der Sache ist und sich Erfolge schneller
einstellen.
8.
Zusammenfassung
In
den vorangegangenen Abschnitten wurde versucht, die
wichtigen Prinzipien der modernen Hundeerziehung
kurz zu erläutern. Es soll eine Anregung für jeden
Hundeführer sein, sein bisheriges Hundetraining
einmal zu überdenken und auf diese Weise äußerst
effektive Trainingsmethoden kennenzulernen.
Hunde
sind so treue und intelligente Tiere, daß sie
selbst bei Anwendung schlechter Trainingsmethoden
noch etwas lernen. Will man aber mit seinem Hund die
Gipfel der Obedience-Ausbildung erklimmen, so kommt
man gar nicht umhin, die obigen Methoden
einzusetzen. Erst wenn der Hundeführer selbst
verstanden hat, was er erreichen will und wie er es
erreichen will, hat auch der Hund eine Chance,
dieses zu begreifen.
Jeder
Hundefreund sollte sich diese Prinzipien zu eigen
machen und sie schließlich konsequent in die Praxis
umsetzen. Der Hund wird freudig feststellen, daß
Herrchen/Frauchen viel bessere Laune beim Training
hat und auch viel klarere, sinnvollere Kommandos
gibt (oder anders gesagt, einen besseren Rudelführer
abgibt). Der Hundeführer wird merken, daß er es
nicht mehr mit einem unzuverlässigen,
arbeitsunwilligen Hund zu tun hat, der einem, bloß
"weil er gerade heute wieder keine Lust hat",
eine Prüfung "versaut".
Womit
wir wieder bei dem Kerngedanken von Obedience
angelangt sind:
Hund
und Hundeführer werden eine Menge Spaß beim
Obedience haben.
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